A Coruña - Lagos - Lanzarote - Teneriffa
DAS RENNEN IN DEN SÜDEN
Nach der arbeitsintensiven Zeit in A Coruña würde uns beiden eine kurze Auszeit gut tun. Das Boot segelt sich nur leider nicht von alleine in den Süden und so bleibt Claudius mit gemischten Gefühlen in Spanien. Der Gedanke in wärmeren Regionen zu sein und endlich in einer Destination anzukommen, die aktuell Segelsaison hat, lässt ihn eisern am Plan festhalten. Während Sventja also die Weihnachtspause daheim nutzt, freut sich Claudius über Unterstützung von Flo während der Feiertage. Die zwei kennen sich gut und haben in Kroatien schon gemeinsame Segelabenteuer bestritten. Das Rennen südwärts nimmt wieder Fahrt auf und die Motivation ist grenzenlos.
Flo hat Lust Atlantik-Erfahrung im Segeln zu sammeln und das klappt am besten mit vielen Seemeilen, passend zum Plan das Boot möglichst weit in den Süden zu bringen. Am ersten Tag ist der Atlantik durch ein übliches winterliches Tiefdruckgebiet ziemlich aufgebraust und wir entscheiden, erst am nächsten Tag gegen Nachmittag zu starten. Einkaufen, Planen und eine umfangreiche Bootseinweisung für Flo (man kennt die SIR und weiß, wo sie manchmal zickt), denn sie ist alles andere als ein einfaches Charterschiff.

PORTO
Das erste Ziel ist Porto. Zwei Tage segeln, danach Stadt anschauen und abends um die Häuser ziehen. Nach zwei Tagen Pause weiter Richtung Lissabon, gleicher Ansatz. Mit einem letzten Blick aufs Wetter wird uns bewusst, die ersten 12 Stunden werden nicht sonderlich gemütlich (3 Meter Welle mit 8 Sekunden Abstand). Aber der Wille loszukommen ist nicht zu bremsen. Naja was soll man sagen, nach einer Stunde auf See ist die Euphorie erstmal gebrochen und Gespräche werden die nächsten 11 Stunden auf das Mindeste reduziert. Danach wird langsam ein Rhythmus erkennbar, die Welle wird ruhiger, der Wind stabiler und auf Höhe der portugiesischen Grenze ist es bemerkenswert milder. Offen gesagt ist es auch etwas beruhigend zu sehen, dass nicht nur Sventja und Claudius nach solchen Tagen komplett erledigt und kaputt sind, sondern das Bild von Flo und Claudius im Ziel genauso aussieht.
CASCAIS
Nach einer kurzen Auszeit in Provoa de Varzim (von hier kommt man mit dem Zug entspannt in 30 Minuten in die Innenstadt von Porto) mit viel Schlaf, einem ausgiebigem Abend in Porto, viel gutem Essen und einer ersten Badeeinheit am öffentlichen Strand bei 18 Grad, geht es weiter Richtung Cascais. Das Wetter meint es diesmal zu gut mit uns und lässt Wind & Welle gleich ganz weg. Das Rennen südwärts geht trotzdem weiter, mal mit Motor, mal mit schlagenden Segeln und zwischendurch wird kurz auf Weihnachten angestoßen. Der Versuch einen Fisch für die Festtage zu fangen, endet mit einem abgebissenen Köder und einer kaputten Angel. Was auch immer da angebissen hat, war wohl etwas größer, aber solange es kein Orca war, sind wir beruhigt (Anmerkung: Orcas aus der Region rammen & beschädigen seit einigen Jahren Boote). Es sind zwei schöne Tage auf See, die Küste Portugals ist nicht nur vom Land aus wahnsinnig schön. Raue Küsten und unfassbar viel Leben im Meer. Wir werden täglich über Stunden von Delfinen begleitet, sehen fluoreszierende Algen und nachts beobachten wir stundenlang leuchtenden Krill, der von Delfinen gejagt wird. Müde aber glücklich erreichen wir Cascais. Es ist endlich deutlich wärmer und langsam kommt auch wieder reger Betrieb in den Marinas auf.
Cascais ist die übliche Absprungschanze Richtung Madeira und Kanaren. Das wären mindestens 4 Tage non-stop segeln. Nach kurzer Diskussion und mit den letzten 350 Seemeilen in 5 Tagen in den Knochen, entscheiden wir uns dagegen und planen einen kürzeren Schlag Richtung Südportugal zu unternehmen. So segeln wir in unserem klassischen zwei Tage Modell nach Lagos an die Algarve.
LAGOS
Kurz vor Lagos nehmen wir nachts eine Fischerboje mit. Versuche das Teil bei Wellengang im Dunkeln vom Ruder loszuschneiden scheitern und da die Steuerung nicht beeinträchtigt ist, wird das Konstrukt zwangsweise bis in den Hafen mitgeschleppt. Dankbar, dass nichts im Propeller hängen geblieben ist, schneiden wir den Rest im ruhigen und sicheren Hafen vom Ruder los. Eine wilde Woche im Rennen in den Süden liegt hinter uns, die anstrengend war, aber viel Spaß gemacht hat. Und zu betonen ist, es ging nichts kaputt (!!!), wir mussten nichts reparieren in dieser Woche. Flo hat in der Zeit das Atlantiksegeln kennengelernt und kann mit dem guten Gewissen, die SIR einige Seemeilen südlicher gebracht zu haben, wieder in die kalte Heimat fliegen.
Lagos hat eine klasse Infrastruktur für Segler und ist der südlichste Zipfel Europas, wenn man weiter Richtung Karibik will. Daher investiert Claudius erstmal zwei Wochen, um die letzten großen Arbeiten abzuschließen. Kraftstoffschläuche werden erneuert, der Motor gewartet, Schellen durch Rohrleitungen im Wassersystem ersetzt und der Wassermacher wird angeschlossen. Sventja shoppt währenddessen alle möglichen Ersatzteile in Deutschland und näht den Sonnenschutz für den Decksalon, bevor sie zurück an Bord geht. Unser Credo lautet: Credits sammeln und unser Boot so gut es geht in Schuss halten, bevor die Sachen von alleine den Geist aufgeben. Dann heißt es: Adiós europäisches Festland!
LAGOS nach LANZAROTE
Das Wetterfenster sieht gut aus: Genug Wind mit Böen bis max. 30 Knoten & Welle von hinten mit ca. 3 Meter halbwegs ok. Wir planen mit ca. 4 Tagen, kochen Essen vor und machen uns Samstagmittag bei herrlichem Sonnenschein und entspannten 12 Knoten Wind auf den Weg nach Süden. Ein bisschen nervös ist man vor jeder Überfahrt aber die Vorfreude überwiegt.
Tag 1: Man ist etwas aufgeregt, noch ausgeschlafen und das vorgekochte Essen hängt noch nicht zum Hals raus. Volle Segelfläche und Kurs mit achterlichem Wind. Nachtwache in 2 Schichten: 22-3 Uhr und 3-8 Uhr.
Tag 2: Schlaf der ersten Nacht eher mittel, der Kartoffelauflauf wird mit dem ersten selbst gefangenen Thunfisch aufgepeppt. Nachmittags wird das erste Reff gesetzt (für die Nicht-Segler: Die Segelfläche wird verkleinert weil viel Wind).
Tag 3: Jetzt ist man schon recht müde und die inzwischen eher 4 Meter Wellen könnten auch mal aufhören. Zweites Reff. Die Böen gehen in der Spitze sogar kurz bis 40 Knoten (ca. 75 km/h) hoch. Segelfläche wird nochmal reduziert und wir sind nur noch mit Fock (Vorsegel) bei 7-8 Knoten wenigstens Vollgas unterwegs. Wie lang dauerts eigentlich noch?
Tag 4: Müde. Seit Tag 1 nur Essen, Schlafen, Klo und ab und an Zähneputzen. Das Geschaukel könnte gerne aufhören. Auf dem AIS werden andere Segelboote mit ähnlichem Kurs gesucht und die imaginäre Regatta auf dem Weg nach Lanzarote beginnt.
Tag 5: Land in Sicht! Mittwoch Vormittag taucht Lanzarote vor uns auf und wir freuen uns über die geglückte Navigation. Es dauert noch rund 5 Stunden bis wir schließlich im Hafen ankommen (die längsten 5 Stunden ever). Nach ziemlich genau 96 Stunden haben wir die Marina in Arrecife, der Hauptstadt von Lanzarote, erreicht und freuen uns über festen Boden. Wir werden gleich von unseren imaginären Regatta-Kontrahenten begrüsst, die uns ebenfalls auf dem AIS verfolgt haben (die waren mit ihrem Katamaran vor uns im "Ziel", allerdings sind die in der Regel immer flotter als wir).
Strand Lagos, Überfahrt Atlantik, Hafen Arrecife / Lanzarote
Was sonst noch passiert ist:
- Vollmondnächte: Das Wasser glitzert und es ist unglaublich hell, dafür sind kaum Sterne zu sehen.
- Blaue Flecken überall. Die Dünung kommt aus einer leicht anderen Richtung als der Wind bzw. die Windwellen (= eher ungemütlicher Seegang). Die Tage bestehen aus festhalten, dagegenfallen, rumrollen, von der Bank rutschen, alles einhändig machen und tief durchatmen.
- Wenig Delfine, dafür die erste Schildkröte.
- Wir brauchen keinen Motor und kommen nur mit Wind ans Ziel. Ausserdem haben wir zur Abwechslung keine Defekte und keine dramatischen Herausforderungen, das muss auch mal positiv hervorgehoben werden.
LANZAROTE
Lanzarote wird mit einem Roller unsicher gemacht. Die Mondlandschaft ist beeindruckend aber auch ein bisschen surreal so ganz ohne Grünzeug und Bäume. Das Dinghi wird das erste Mal im Hafen ausgetestet und wir bekommen in den ersten 20 Minuten drei Komplimente für unseren leisen E-Motor. Außerdem ist es endlich schön warm und wir kommen der berühmten Barfußroute näher (Seeweg durch vorwiegend subtropische und tropische Gebiete). Die anstrengenden ersten Wochen und Monate stecken uns zwar noch in den Knochen aber endlich merken wir, wofür wir das alles machen. Es fühlt sich unglaublich schön an, die Erfolge seiner harten Arbeit genießen zu können. Im 10 Minuten Takt sehen wir die Ferienflieger im Landeanflug auf die Insel aufsetzen und man kann nicht anders als schmunzelnd einen Gedanken zu haben: Wir sind mit dem eigenen Boot, mit dem Wind (ok und manchmal ein bisschen Diesel) hier her gekommen. Fühlt sich genauso aufregend an, wie es sich anhört!

105 Tage unterwegs
20 Häfen
10 Nachtfahrten
6 Länder
> 2300 Seemeilen hinter uns & erstes großes Ziel erreicht: Kanaren
Lanzarote, Hafen & Stadt Arrecife
Täglich grüßt ein neues Kreuzfahrtschiff im Hafen von Arrecife. Am Anfang können wir über die Walze an Menschen, die täglich im Hafen anrollt noch schmunzeln. Irgendwann wird es uns zu viel und wir machen uns auf in den Süden der Insel. Der Test unseres Anker Setups steht noch aus und wir suchen uns einen ruhigen Ankerplatz an der Südspitze. Kurz vor der Bucht springt unser Motor nicht an. Leider hat sich auch der Wind grade verabschiedet und wir dümpeln kurz umher. Überzeugend routiniert überprüfen wir unsere Optionen und stellen fest, es muss an den vermutlich korrodierten Kabeln am Zündschloss liegen. Wir nutzen unser zweites Zündschloss am Innensteuerstand und vertagen die Reparatur.
In der Bucht angekommen schmeißen wir eifrig das erste Mal unser 35 kg Edelstahl über die Bugrolle ins 7 Meter tiefe Blau. Mutig aber wir vertrauen auf unsere elektrische Ankerwinde. Eigentlich ist der Anker mit seinen 35 kg etwas überdimensioniert für unser Boot aber wir dachten uns, besser haben als brauchen. Der Anker hält, wir machen tagsüber eine Wanderung auf den nächsten Vulkankrater und können nachts ruhig schlafen. Beim Hochholen wird es nochmal spannend aber die elektrische Ankerwinde tut was sie soll. Nach 2 Nächten vor Anker sehnen wir uns nach etwas mehr Grün und setzen den Kurs auf Teneriffa.
Lanzarote Playa Blanca
TENERIFFA
Die Nacht ist ruhig und wir ziehen unter schönstem Sternenhimmel an Gran Canaria vorbei. Der Mond ist nur als winzige Sichel zu erahnen und der Sternenhimmel lässt sich nicht lumpen. Es funkelt und leuchtet, man kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Das i-Tüpfelchen ist der fluoreszendierende Plankton im Wasser (auch Meeresleuchten genannt = mikroskopisch kleine Algen, die biolumineszent sind, also im Dunkeln leuchten). Unser Boot sieht aus, als würde es in den Wellen Funken schlagen. Da macht die Nachtwache ja fast Spaß. Claudius genießt das Spektakel von 22 bis 3 Uhr und Sventja übernimmt von 3 bis früh um 8 Uhr.
Am nächsten Morgen macht es Teneriffa spannend und hüllt sich eine Weile in dicken Wolken und Nebel. Nach ca. 24 Stunden haben wir wieder Land in Sicht und laufen im Hafen von Santa Cruz ein. Die Stadt bereitet sich grade auf den anstehenden Karneval im Februar vor. Wir entfliehen der Metropole erstmal und gehen wandern. Die Landschaft ist wieder grün, alles blüht und in der Ferne sehen wir auf dem Gipfel des Teide (Pico del Teide = höchster Berg Spaniens mit 3715m) sogar etwas Schnee. Es ist faszinierend, wie unterschiedlich die beiden Inseln sind, obwohl sie so nah beieinander liegen. Lanzarote ist die jüngste der kanarischen Inseln und im Vergleich eine ganz andere Welt. Karge Mondlandschaft, faszinierend und auch ein bisschen unheimlich. Das nördliche Teneriffa dagegen ist viel grüner, hat hohe Berge und weitläufige Täler. Auch hier gibt es Vulkane und die Insel ist bekannt für ihren Sternenhimmel durch die geringe Lichtverschmutzung.
Teneriffa Parque Rural de Anaga

Die Frage, die aktuell hoch im Kurs steht und uns oft erreicht, ist, wohin und wann und wie es nun weiter geht. Unser erstes großes Ziel, die Kanaren, haben wir geschafft. Sicherlich ist einiges anders gelaufen, wie erhofft. Grenzen haben wir getestet und an der ein oder anderen Stelle auch erreicht. Trotzdem ist alles gut so, wie es am Ende gekommen ist. Wir merken das am meisten daran, wie ruhig und routiniert wir sind, wenn wir plötzlich wieder Wasser im Boot haben, wo keins hingehört, oder der Motor mitten auf See nicht anspringt. Jede Herausforderung ist früher oder später lösbar so lange man entsprechend vorbereitet ist. Dafür ist es einfach wichtig, sein Boot gut zu kennen. Es gibt nach den letzten Monaten kaum eine Ecke, in der wir noch nicht kopfüber dringesteckt haben. Die Handgriffe sitzen und ihr solltet mal sehen wie lässig wir inzwischen Hafenmanöver durchziehen (zumindest wenn kein Wind weht). Wenn wir mit der SIR mit 7-8 Knoten im Wind dahingleiten und endlich alles funktioniert, wie es soll, freuen wir uns und genießen die Zeit.
Wir sind quasi warm gelaufen und bereit, ein bisschen mehr auszutesten, uns treiben zu lassen, die nicht vorhandene Struktur in unserem Alltag zu leben. Unser Boot hat sicherlich noch einiges zu bieten und auch seglerisch wollen wir noch viel ausprobieren.
Wollten wir ursprünglich im Januar schon in der Karibik sein? Vielleicht. Mittlerweile bestimmt ausschließlich der Wind, der Seegang und die vorhandene Menge an frischem Obst und Gemüse unseren Zeitplan. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, lieber weniger Ziele anzusteuern und dafür an den Orten selbst länger zu bleiben. Land, Leute und das Leben ein bisschen intensiver kennenlernen, statt wie auf einer Flucht durchzurauschen. Die nächste Insel wird La Gomera und dann hören wir mal tief in uns hinein, wie lange unsere nächste Überfahrt werden darf.
Kommentar schreiben
Basti (Mittwoch, 12 Februar 2025 18:51)
Tolles Update und eine gesunde Einstellung mit der ihr an die Sache geht! Die Bilder sind Hammer! Bei der ersten Fahrt mit Flo vermisse ich ein paar Details :(
Tina (Mittwoch, 12 Februar 2025 18:58)
Wieder mal wunderschön zu lesen, und zu hören, dass ihr wohlauf seid und es euch gut geht. Eure ungebrochene Zuversicht und der Wille, immer weiter zu lernen, zu erleben und in sich zu reinzuhören, was einem gut tut wird Euch gut weitertragen - und das werdet ihr hoffentlich euer Leben lang behalten! Weiterhin eine gute und gesunde Fahrt, alles Liebe, Eure Tina
Markus (Mittwoch, 12 Februar 2025 20:15)
Schön wieder von euch zu lesen, mir war gar nicht bewusst, dass schon wieder Bergfest ist � ! Aber ihr habt ja inzwischen auch wirklich viel erlebt und es macht viel Freude darüber zu lesen. Ich wünsche euch weiterhin prickelnde Momente, auch ein paar kleine Hindernisse (sonst wird‘s ja langweilig!) und uns weiterhin schöne und informative Texte und tolle Bilder!
Euer Telefonjoker �
P.S.: Wer hat denn das tolle Foto von oben gemacht???
Alena (Samstag, 15 Februar 2025 14:58)
Super schön zu lesen - freut mich dass es scheinbar weniger anstrengend wird.
Bei den Bildern wundert es mich gar nicht dass ihr noch ein Weilchen bleiben wollt, genießt es!
Sail Fast - Live Slow