Wir sind nicht die ersten, die mit dem Segelboot den Weg über den Atlantik wagen und werden auch nicht die letzten sein. Trotzdem ist jede Überfahrt ein einmaliges Abenteuer und hat seinen eigenen Charakter. Das Wetter, das Boot und die persönliche Vorbereitung haben großen Einfluss - entspannte Überfahrt vs. Vollkatastrophe mitten auf einem Ozean. Ab einem gewissen Punkt kann man sich nicht weiter vorbereiten, sondern muss darauf vertrauen, mit all den Problemen fertig zu werden, die einem auf so einer Reise begegnen können. 5 Monate von der Ostsee bis auf die Kanaren sind für uns Vorbereitung genug, und auf den Spuren von Christoph Kolumbus wagen wir die Überfahrt Anfang März. Sicherlich hatte der Gute damals weniger Einblick in die Großwetterlage über dem Atlantik, wir sind dankbar über das heutige Wissen und das Wetter der nächsten 2 Wochen sieht hervorragend für uns aus. Wirklich verlässlich sind die Vorhersagen zwar nur für die nächsten 48 Stunden, aber die Passatwinde wehen auch im März normalerweise sehr beständig und genau den Wind brauchen wir.
Vom Wetter abgesehen gibt es ein paar Parameter, die für uns die Spannung hoch halten. Hält der neue Autopilot und funktioniert er einwandfrei? Immerhin ist er unser wichtigstes Crew-Mitglied (beschwert sich nicht, verbraucht nichts, braucht keinen Schlaf). Haben wir genug Essen dabei? Sventja ist sich sicher, das Essen reicht vermutlich bis Australien aber man weiß ja nie. Unschön wäre noch ein Ausfall unseres Wassermachers. Wir haben eine Salzwasseraufbereitungsanlage an Bord, um Süßwasser zu erhalten. Notfall Trinkwasser haben wir natürlich dabei, aber ein Ausfall würde die Reise deutlich unangenehmer machen. Wie schlägt sich unser drittes Crewmitglied? (Zur Erinnerung: Louis, unser Hitchhiker, den wir auf den Kanaren aufgesammelt haben und der noch nicht ganz so viel Erfahrung im Segeln hat). Wie meistern wir den Schlafmangel, der uns bisher sehr zu schaffen gemacht hat? Fragen über Fragen, die unsere Nervosität und Vorfreude gleichermaßen in die Höhe treiben. Wie muss sich das anfühlen, wenn man es am Ende tatsächlich geschafft hat?
Teil 1 - Kanaren bis Kapverden
Wir brechen von La Gomera auf und wenn es gut läuft, wollen wir gleich weiter segeln und lassen die Kapverden links liegen. Wir haben kein Internet an Bord, man muss ja nicht alles unterstützen was aus dem wilden Westen kommt (Starlink). Außerdem stellen wir uns zwei Wochen ohne Handy und politische Hiobsbotschaften sehr erholsam vor. Über unser Garmin Inreach können wir Nachrichten über Satelliten schreiben und empfangen und je nach Wetter unseren Kurs anpassen. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an unseren Offshore Support - Claudius Vater - der uns zwei Wochen lang alles zu Wind und Welle durchgegeben hat. Außerdem ist es beruhigend zu wissen, in Notfällen kommunizieren zu können.
Die ersten Tage Richtung Süden sind Segeln mit Sahnehäubchen und Kirsche oben drauf. Nachdem wir Neptun die Ehre des ersten Schlucks erwiesen haben, werden wir belohnt: 15 Knoten Wind, keine Welle, strahlender Sonnenschein, wie gemalt fliegen wir nur so dahin. Wir sehen Pilotwale, Delfine springen um unseren Bug herum und die Laune könnte nicht besser sein. Aus der bisherigen Erfahrung wissen wir solche Momente zu genießen, denn meistens sind sie nicht von langer Dauer.
Atlantik 21-22 Grad Wassertemperatur
An Tag 4 bleibt der Wind wieder aus und wir dümpeln am Rande einer großen Flaute dahin. Wir müssen unseren Kurs Richtung Osten (falsche Richtung!) anpassen. An Tag 5 ist klar, wir müssen auf Grund der Flaute mehr oder weniger direkt an den Kapverden vorbei also entscheiden wir uns, einen kurzen Zwischenstopp zu machen und die Flaute in Mindelo auf São Vicente abzuwarten. Zu guter Letzt schaffen wir es bei der Einfahrt zwischen den Inseln (wie immer bei Nacht) unseren Spibaum kaputt zu machen. Zugegeben, er war für unser Vorhaben auch etwas zu dünn und er bricht bei heftigem Wind in der Düse der Inseln in zwei Teile. Wir manövrieren uns um 1 Uhr morgens um die vielen großen Schiffe, die vor der Insel vor Anker liegen und schnappen uns den ersten Steg der Marina, den wir in der Dunkelheit erahnen können.
Mindelo, Kapverden
Nach 6 Tagen kommen wir in Mindelo an und schnuppern schonmal EU-fremde Luft. Erstmal wird die Kreditkarte wegen auffälligem Auslandseinsatz von der Bank gesperrt und der Supermarkt nimmt nur Bargeld an, Apple Pay geht leider auch nicht. Ansonsten ist Mindelo ganz nett, schön warm, sehr windig, leckeres Essen. Der neue Spibaum wird im einzigen Bootsladen der Insel in weniger als 24h maßangefertigt (scheinbar kommen solche Anfragen dort öfter vor). Nochmal schnell frische Tomaten eingekauft, am weißen Sandstrand erholt und 3 Nächte durchgeschlafen, dann heißt es Leinen wieder los und diesmal gibt es - komme was wolle - nur noch einen Kurs nach Westen. Nach dem letzten Wetter Check rechnen wir mit gutem Wind und etwas mehr Welle, vor allem in der zweiten Woche.
Mindelo, Kapverden
Teil 2 - Kapverden BIS KARIBIK
Tag 1 bis tag 3
Die ersten Tage sind die anstrengendsten. Der Körper muss sich an das Schaukeln gewöhnen und einen neuen Schlafrythmus suchen. Wir trimmen Segel und geniessen endlich unterwegs zu sein. Wir starten mit zwei Vorsegeln auf einer Rollanlage, wechseln zwischendrin nochmal auf eine Fock und Großsegel, um mehr Stabilität ins Boot zu bekommen. Der Wind ist wie in der Vorhersage gut, aber die Welle und der Seegang rauben uns den letzten Nerv. An Tag 3 ist es am schlimmsten. Gespräche sind verstummt, wir fragen uns wo wir uns da nur reinmanövriert haben und was in Woche zwei noch schlimmer werden kann (laut Vorhersage sind die höheren Wellen erst später angesagt). Wehe die Karibik ist nicht das schönste Paradies auf Erden.
Atlantik, 22 - 23 Grad Wassertemperatur
Tag 4 bis tag 6
Die Welle hält sich hartnäckig aber wir haben uns daran gewöhnt. Wir fangen den ersten Mahi-Mahi und schaffen 165 Seemeilen in 24 Stunden. Wir fliegen dahin und sind schneller als geplant. Die Nachtwachen haben sich auch eingependelt. Claudius übernimmt von 0-3 Uhr, Sventja von 3-6 Uhr und Louis von 6-9 Uhr. Tagsüber wechseln wir uns nach Lust und Laune ab, meistens passt Sventja am Vormittag auf, Claudius am Nachmittag und Louis am frühen Abend. Kurs kontrollieren, Segel trimmen, Angel rauswerfen. Zwischendrin Bücher lesen und schlafen. An Tag 5 schlägt die Welle immer wieder auf die Steuerbordseite und schüttelt das ganze Boot durch. Kochen unmöglich. Der Kühlschrank kann immer nur zwei Sekunden geöffnet werden, sonst fliegt einem bei der nächsten Welle alles entgegen. Wir fangen einen riesigen Mahi-Mahi, ein Trost für die langen Gesichter. An Tag 6 entspannt sich der Seegang wieder und wir starten mit produktivem Aktionismus. Wir kochen Fischcurry, lüften die Kojen, Claudius bekommt einen neuen Haarschnitt verpasst und wir reparieren unseren alten Spibaum provisorisch, damit wir unser zweites Vorsegel auch ausbaumen können. Inzwischen segeln wir durchgehend mit zwei Vorsegel und die Sir schiebt uns mit 6-8 Knoten ziemlich zügig nach Westen.
Atlantik, 24 Grad Wassertemperatur
Tag 7 bis tag 9
Sventjas Geburtstag wird gefeiert, mitten auf dem Atlantik. Es ist Halbzeit und wir haben nach 7 Tagen schon die Hälfte der Strecke geschafft. Zur Feier des Tages gibt es eine Dusche, ein frisches T-Shirt und einen Kuchen aus der Dose. Außerdem essen wir Pancakes während kapverdische Musik im Hintergrund tüdelt. Diese Überfahrt lehrt uns, mit weniger zufrieden zu sein. Ein Geburtstag, der unaufgeregt scheint aber sicherlich unvergessen bleibt.
Die Temperaturen werden immer wärmer, tagsüber schon fast heiß. Das endlose Blau schimmert egal zu welcher Tageszeit und man sieht sich einfach nicht satt. Wir sammeln täglich fliegende Fische von unserem Deck und halten in der Ferne Ausschau nach einem Tanker, den wir über unser AIS sehen können. Als wir in Sichtweite sind, funken wir ihn an und quatschen kurz sehr nett mit dem Kapitän. Er ist auf dem Weg in den Senegal und wünscht uns gute Fahrt in die Karibik (ˋyou crazy people with such a small boat´).
Wir bereiten uns ein bisschen auf die nächsten Tage vor, da die Welle höher werden soll. Aufräumen und sauber machen (wo kommt der ganze Staub mitten auf dem Ozean her??). Unser Autopilot macht so ganz nebenbei seit Tagen genau das was er soll. Er steuert zuverlässig durch die hohen Atlantik-Wellen und wir sind happy.
Ansonsten passiert reichlich wenig. Bordalltag stellt sich ein. Die mit Abstand unbeliebteste Aufgabe an Bord ist Geschirrspülen. Wir spülen mit Seewasser vor und nur im Nachgang kurz mit Süßwasser. Bei Seegang kein leichtes Unterfangen und im Cockpit rutschen Teller und Pfannen fröhlich von links nach rechts und wieder zurück. Unseren Müll schneiden wir möglichst klein und stecken ihn in leere Plastikkanister, damit sich kein Gestank breit machen kann.
Für das Gemüt kochen wir fast jeden Tag frisch: Fisch mit Reis, Kartoffelgratin, Burger, Pasta mit Gemüse oder Wraps mit allem was der Kühlschrank hergibt. Essen ist eins der wenigen Dinge, die wir an Bord beeinflussen können.
Der Passatwind schiebt uns kontinuierlich an und wir müssen wenig an den Segeln ändern. Obwohl die Route verhältnismässig stark frequentiert ist, sehen wir bis auf 2 mal keine anderen Schiffe. Es ist ein bisschen tückisch, man muss während seiner Schicht wachsam sein aber es passiert wenig. Einschlafen passiert dagegen regelmäßig und wir setzen uns vor allem nachts alle 20 bis 30 Minuten einen Timer, um wieder aufzuwachen.
Atlantik, 25 Grad Wassertemperatur
Tag 10 bis tag 12
Tag 10 reißt uns zweimal aus unserer Alltagsroutine an Bord. Nachts löst sich unser Spibaum auf einer Seite und baumelt plötzlich zur Hälfte im Wasser. Bei völliger Dunkelheit holen wir ihn schlaftrunken wieder ein und kontrollieren am nächsten Morgen unser Setup. Eine Leine hatte sich verheddert und dafür gesorgt, dass sich der Baum lösen konnte. Kein Drama und schnell behoben.
Der restliche Tag startet zunächst entspannt bei Sonnenschein und gemütlichem Seegang, bis Claudius von unten ruft: Wasser im Boot! Unser halbes Bett der Achterkoje ist nass. Bitte was? Ein Blick in die achterliche Backskiste lässt das Herz in die Hose rutschen und den Puls an die Decke schießen: ca. 20cm hoch steht das Wasser schon und ist über ein Loch für den Auspuffschlauch bei jeder Welle in die Achterkoje bzw. den vorderen Teil vom Boot gelaufen. Wassereinbruch mitten auf dem Atlantik? Wir haben auf den Kapverden noch am Ruder rumgeschraubt und kurz fragen wir uns, ob wir was falsch gemacht haben und sich eventuell etwas gelöst haben könnte. Aus Erfahrung wissen wir, das kann uns nur der Geschmackstest beantworten: süß oder salzig? So schnell haben wir die Backskiste noch nie ausgeräumt, Sventja klettert rein und probiert. Dann die Erlösung: Das Wasser ist süß, kein Salzwasser. Halleluja. Ein Schlauch der Aussendusche, die in unserer Backskiste installiert ist, hatte sich gelöst und das Wasser kommt aus dem Süßwassertank. Das ist schnell behoben, der Puls entspannt sich wieder. Die Matratzen legen wir zum trocknen an Deck und der Rest des Tages verläuft entspannt.
Atlantik, 26 - 27 Grad Wassertemperatur
Die folgenden Tage werden etwas zäh. So ganz wissen wir nicht in welcher Zeitzone wir inzwischen sind und leben einfach nach kapverdischer Zeit weiter. Wir schreiben brav ins Logbuch wie viele Tage wir schon auf See sind, da man sonst leicht durcheinander kommt. Die ersten Bücher und Hörbücher sind durch und der Wille anzukommen wird größer. Wir rufen uns in Erinnerung wie einmalig es ist, was wir da machen und man jeden Moment inhalieren sollte. Die Weite des Ozeans direkt vor der Nase, keiner will was von dir, du musst nur mit dir selbst zurecht kommen und kein Internet lenkt dich ab. Gar nicht so leicht. Wir sind alle etwas in unseren Gedanken versunken und jeder beschäftigt sich viel mit sich selbst. Wie surreal wir in unserem kleinen Boot in den Wellen auf und ab schippern. Was alles möglich wird, wenn man nur will.
Alle paar Tage gönnen wir uns wahren Luxus: Nacheinander kippt sich jeder unter freiem Himmel einen Eimer Seewasser über. Mittlerweile hat das Wasser schon 27 Grad, gibt Schlimmeres. Danach wird kurz mit Süßwasser abgeduscht. Wir sparen Wasser, weil der Wassermacher viel Strom braucht, aber die kurze Dusche gönnt man sich.
An Tag 12 sind es nur noch 400 Seemeilen to go. Wir erlauben uns über den Landgang zu träumen und studieren alle Bücher über die Karibik, die wir an Bord haben. Das Wasser hat inzwischen sogar 28 Grad und in der Sonne hält man es mittags kaum aus. Wir entscheiden uns Martinique anzusteuern und träumen vom ersten Rum Punch. Mittlerweile tauchen die ersten Squalls am Horizont auf. Sturmböen, die oft mit Gewittern, wechselnder Windrichtung und Starkregen daher kommen. Uns erwischen nur ein paar kleinere und wir können mit reduzierter Segelfläche problemlos weitersegeln.
Atlantik, 28 Grad Wassertemperatur
Tag 13 bis tag 14
Keine 300 Seemeilen mehr, ungefähr 2 Tage bleiben uns auf dem Atlantik. Wir sind viel schneller als gedacht und schaffen im Schnitt 150 Seemeilen pro Tag. Ursprünglich hatten wir mit 16 oder 17 Tagen auf See gerechnet. Der Wind beehrt uns durchgehend mit 15-20 Knoten, Neptun ist uns wohlgesonnen. Die Sir fliegt dahin als hätte sie nie was anderes gemacht. Von der Ostsee hat sie uns sicher bis hier her gebracht und wir hatten nie mehr Vertrauen in unser Boot als jetzt. Wir haben den Motor bisher auf dieser Überfahrt nicht gebraucht, keinen Tropfen Diesel genutzt. Nur mit dem Wind über den Atlantik, wir hätten es uns nicht besser wünschen können. Soll einer nochmal sagen wir wären zu spät dran und die Saison zur Überfahrt wäre vorbei. Die letzten zwei Sonnenauf- und -untergänge werden inhaliert und für die Ewigkeit im Gedächtnis gespeichert. Die letzte Nacht auf See mit dem atemberaubenden, magischen Sternenhimmel. Nachts kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus, wie gigantisch die Milchstraße über uns thront. Wir haben in den zwei Wochen so viele Sternschnuppen gesammelt, Wünsche losgeschickt und uns ganz klein gefühlt inmitten der Natur, umgeben von nichts als Wasser. Diese Momente lassen alles andere im Leben ganz klein und unwichtig erscheinen.
land in sicht
Wir schließen Wetten über die genaue Ankunftszeit ab und die Vorfreude auf den Landfall steigt ins Unendliche. Macht der Gewohnheit werden wir erst im Dunkeln vor Martinique den Anker werfen können. Von weitem sehen wir die hellen Lichter der Insel: Land in Sicht! Es dauert noch eine ganze Weile und zum Schluss machen wir es (ähnlich wie vor den Kapverden) nochmal spannend. Nach zwei Wochen auf See, Müdigkeit und Aufregung vor dem Landgang erwischt uns die Düse zwischen den Inseln etwas stärker als gedacht. Unsere Rollanlage, die uns bisher gute Dienste erwiesen hat, hängt ein bisschen und die Segel rollen sich nicht vollständig ein als wir kurz vor der Ankerbucht sind. Kurze Ratlosigkeit bei zunehmenden Böen um die 30 Knoten. Es wird ein bisschen hektisch, wir müssen am Ende eine Leine durchschneiden und die beiden Segel bei Nacht und Wellengang unterwegs bergen (statt einrollen). Das hätte entspannter laufen können. Ein bisschen fertig und mit viel Adrenalin im Blut schaffen wir es in unsere anvisierte Ankerbucht. Es ist stockfinster und wir realisieren es kaum: Wir sind da!!!!!! Die Überfahrt hat lange genug gedauert und jetzt ist sie doch so schnell vorbei. Am 30. März um 1 Uhr Ortszeit werfen wir den Anker vor Martinique. Wer hätte das gedacht, als wir vor 5 Monaten in Gelting abgelegt haben. Es fühlt sich surreal an und wird eine ganze Weile dauern, bis wir das verarbeitet haben. Mit dem eigenen Boot über einen Ozean gesegelt. Wir trinken einen kurzen Anleger bzw. Anker Schnaps und fallen völlig erschöpft im unsere Kojen.
Am nächsten Morgen weckt uns gemütliches Geschaukel. Ein Blick auf den weißen Sandstrand und den grünen Dschungel verrät, es war kein Traum und wir sind wirklich angekommen. Wie krass! Wir sind endlich da! Das einzige weitere Boot in der Bucht ist ebenfalls ein deutsches und wir kennen die Segler über zwei Ecken. Seit Monaten immer mal wieder in Kontakt, treffen wir uns hier das erste Mal persönlich. Wie klein die Welt sein kann. Das Dinghy wird aufgepumpt und wir werden zum Pancake Frühstück eingeladen. Als wir später unsere Segel checken sieht unsere Fock leider etwas mitgenommen aus. Sie hat die Aktion nicht ganz unbeschadet überstanden und hat einen kleinen 10 cm langen Riss. Kein Drama, unser Großsegel hat seit September letzten Jahres schon 5000 Seemeilen durchgehalten und braucht sowieso eine kleine Schönheitskur. In der Bucht von Le Marin im Süden Martiniques gibt es alles was ein Seglerherz begehrt und wir kümmern uns als Erstes um einen Segelmacher.
Martinique, Grande Anse des Salines, 28 Grad Wassertemperatur
Das Leben eines Bootseigners: Nach 14 Tagen auf See gönnen wir uns den lang ersehnten Landgang, ein Essen im Restaurant und den ersten Rum. Unser Hitchhiker geht wieder von Bord und wir kümmern uns erstmal 5 Tage um das Boot: Nach dem Einklarieren wird aufgeräumt, geputzt, auf Schäden und Verschleiß kontrolliert und ein paar Kleinigkeiten im Bootsladen gekauft. Die ersten Tage in der Karibik sind vollgepackt. Nach 5 Tagen wechseln wir von der Marina in die erste ruhige Ankerbucht.
Nachdem die Sir wieder fit ist, können auch wir wieder entspannen. Es folgen Schnorcheln mit Schildkröten, Rum Punch trinken, das süße Leben genießen. Eine to do Liste gibt es zwar immer noch, aber das kann man auch einfach morgen machen. Oder übermorgen. Cheers!
14 Tage auf See
> 2160 Seemeilen
> 8 Bücher/Hörbücher
5 x Segelstellung angepasst
4 x Wassermacher laufen lassen
3 x Essen in der kompletten Pantry verteilt (Pasta, Haferflocken und Marmelade)
2 x andere Schiffe (1x Tanker 1x Cargo) unterwegs gesehen
0 x Baden gewesen (der Wille war da, aber die Welle war uns zu hoch für ein entspanntes Bad)
unendlich viele Sternschnuppen und Erinnerungen für die Ewigkeit
Ein kleiner Exkurs für alle, die es interessiert oder bereits ihre eigene Langfahrt mit dem Boot planen:
Wassermanagement:
- Wir haben einen festinstallierten 220l Wassertank
- Verbrauch von Süßwasser ist primär trinken, kochen, abwaschen, Zähne putzen und duschen
- Zusätzlich haben wir eine Salzwasseraufbereitungsanlage von Schenker, schafft ca. 30l Süßwasser pro Stunde (Verbrauch ca. 100 Watt)
- Trinkwasser füllen wir, wenn der Wassermacher läuft, separat in Kanister ab und füllen ansonsten unseren Wassertank für den restlichen Verbrauch
- Toilettenspülung läuft mit Salzwasser
- Notfall Trinkwasser in Kanistern haben wir für längere Strecken dabei (ca. 2l pro Person pro Tag)
Energiemanagement:
- Wir haben 2 Batteriekreislaufsysteme, die voneinander entkoppelt sind
- 2 Gelbatterien (ca. 280 Ah) für Motorstart und Bedienung der Ankerwinde
- 2 Lithiumbatterien (LifePo4 mit 600 Ah) für den restlichen Service, u.a.: Kühlschrank, Kochen mit Induktionsplatte, Wassermacher, Beleuchtung, Handy, iPad und Co., Navigation und Autopilot (während der Fahrt), Wasserpumpe und Toilettenspülung
- Wenn die Batterien wenig geladen sind (oder meist während dem Segeln) kochen wir mit Gas
Es gibt drei Optionen, wie wir unsere Batterien laden. Meistens laden wir über zwei Solarpanele (in Summe 300 Watt bis zu 60 Volt). Ansonsten über die Lichtmaschine des Motors (ca. 300 Watt) oder klassisch über unseren 230 Volt Landstromanschluss (geht nur, wenn wir in einer Marina liegen).
Nach unserer Atlantiküberquerung hatten wir einen Ladestand der Batterien von ca. 50%, wobei wir unterwegs nur mit Solar wieder aufgeladen haben. Unsere Strategie ist unseren Verbrauch gering zu halten, statt die Stromgenerierung zu maximieren und damit kommen wir bisher sehr gut aus.
Segel-Setup:
- Unser Boot ist topgetakelt und wir segeln normalerweise mit Genua und Großsegel
- Unser Großsegel hat zwei Reffstufen und die Genua sitzt auf einer Rollanlage und kann beliebig gerefft werden
- Für anspruchsvolle Passagen ersetzen wir die Genua durch eine Fock (30% weniger Segelfläche), um die Handhabung zu erleichtern und in schlechtem Wetter bzw. bei Starkwind besser trimmen zu können
Für die Atlantiküberquerung gibt es eigenentwickelte Segelsysteme (Passatsegel), diese benötigen 2 Rollanlagen mit 2 gleichgroßen Segeln, die wie ein Schmetterling geöffnet werden können. Der Passatwind kommt auf dem Weg von Ost nach West auf der Nordhalbkugel meist direkt von hinten. Der Vorteil dieser Passatsegel besteht darin, die Segelfläche durch die Rollanlage einfach reduzieren zu können (z.B. wenn der Wind stark zunimmt). Wir wollten uns den Effekt der Passatsegel zu Nutze machen, die Sir hat jedoch nur eine Rollanlage. Da wir neben unserer Fock ein weiteres Vorsegel als Ersatz haben mit ähnlicher Größe und Form, haben wir diese beiden Segel gemeinsam auf eine Rollanlage gesetzt. Somit konnten wir vorne viel Segelfläche bei achterlichem Wind nutzen und hatten die Möglichkeit einfach die Segelfläche zu reffen. Beide Vorsegel haben wir über unsere Spibäume (1x neu, 1x repariert) ausgebaumt, damit wir einen Windwinkel bis 140 Grad von Steuerbord und Backbord nutzen konnten (ohne Anpassung der Segelstellung). Der Nachteil, der sich daraus ergibt ist, die gesamte Belastung zweier Segel liegt auf einer Rollanlage und sofern sich der Wind auf < 140 Grad ändert, ist die Umstellung der Segel etwas aufwändiger und benötigt viele Hände.
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Tina (Mittwoch, 16 April 2025 19:07)
wie immer ein äußerst beeindruckender und mitreißender Bericht Eurer Zeit und Erlebnisse, danke dafür!!!Ich bin so froh, dass alles doch so gut geklappt hat und Ihr heil und gesund angekommen seid! Diese Erfahrungen werden Euch Euer Leben lang begleiten und stärken! Alles Liebe Euch, genießt noch die weitere Zeit, Eure Tina
Laura (Mittwoch, 16 April 2025 21:00)
HAMMER! Nochmal Glückwünsche zur erfolgreichen Überquerung!!!
Es macht so Spaß mitzufiebern und die vielen Reparaturen und Basteleien scheinen sich ja wirklich ausgezahlt zu haben. Das war ja nahezu langweilig. :-P
Genießt den Rum und die Sonne! Viele Grüße!!!
Marlis (Mittwoch, 16 April 2025 22:20)
Glückwünsche !!!! Ihr habt’s geschafft !!